Lithiumabbau – Goldgräberstimmung im Oberrheingraben

Bald alles zugebaut? – Foto: Ariane Stachowsky

Derzeitige Planung in Neustadt und Geinsheim

Die Firma Vulcan Energy Resources plant den Bau von 5 – 6 Tiefengeothermie-Kraftwerken rund um Neustadt und Hassloch. Diese Pläne werden von den Landesregierungen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz unterstützt. Von den umliegenden Kraftwerken soll das Tiefenwasser über Pipelines zum zentralen Kraftwerk in Geinsheim fließen, um hier das Lithium zu extrahieren.


Die Gefahr von induzierten Erdbeben und das Risiko der Grundwasserverunreinigung stehen einer fragwürdigen Wärme- / Stromgewinnung gegenüber. Hierzu schreibt der BUND 2021 „Wir haben festgestellt, dass tiefe Geothermie insbesondere für die Stromerzeugung relativ gesehen zum Gesamtbedarf in Deutschland keinen wesentlichen Beitrag leisten kann … Zu hoch seien die Kosten und Risiken.“ Wärme wird aufgrund fehlender Wärmenetze meist nicht geliefert, dabei ist es inzwischen überdeutlich geworden, dass diese Vorhaben letztendlich vor allem die Lithiumgewinnung zum Ziel haben. Die Verwirklichung dieser Pläne würden zu einer weitreichenden Veränderung unserer Region führen.


Bis zum letzten Tropfen

Auch in Deutschland wird Wasser ein immer knapperes Gut. Vor allem gilt das für den Südwesten unseres Landes, den Oberrheingraben. Diese wertvolle und für uns unabdingliche Lebensgrundlage soll jetzt durch dutzende Tiefengeothermie Projekte gefährdet und weiter verknappt werden.


Thiefengeothermie gefährdet Grundwasser Reservoire

Der Oberrhein-Aquifer stellt Europas größtes natürliches Grundwasserreservoir dar. Es gibt angeblich einen Schutz für dieses Reservoir – allerdings keine 100-prozentige Sicherheit, dass bei Erdbeben die Unversehrtheit der Rohrleitungen bis in eine Tiefe von 4.000 Meter gewährleistet bleibt. Das bedeutet, dass auch höher liegende Grundwasserleiter durch das mit giftigen chemischen Bestandteilen und zudem mit Radioaktivität belastete Tiefenwasser verseucht werden können. Dies wäre eine nicht mehr kontrollierbare Katastrophe.

Geothermieanlage Insheim
Geothermieanlage Insheim – Foto: Dietmar von Blittersdorff

Hoher Frischwasserverbrauch für Lithiumabbau

In einer vom KIT veröffentlichten Studie zur „Lithium-Gewinnung in Deutschland“ wird bezüglich des Vulcan-TG-Werkes Insheim bspw. ein Frischwasserbedarf von umgerechnet 25 Tonnen für die Gewinnung von nur 1 kg Lithium erwartet. Beim Extraktionsverfahren, das die Vulcan-Tochter „Natürlich Insheim GmbH“ bspw. in Insheim anwenden will, handelt es sich um das sog. Aluminiumhydroxid-Adsorber-Verfahren.

Das Aluminiumhydroxid dient als „Filter“, um das Lithium aus dem Tiefenwasser zu gewinnen. Um das Lithium in einem weiteren Verfahren wieder vom Aluminiumhydroxid zu trennen werden riesige Mengen an Frischwasser benötigt. Der Frischwasserbedarf zur Lithium-Produktion stellt eine Ressourcenvergeudung eines immer knapper werdenden Gutes dar. Sie wird zu einer Grundwasserabsenkung führen und trägt zu unvermeidlichen
Umwelt- und Landwirtschaftsschäden, insbesondere auch in den regionalen Weinbau- und Landwirtschaftsgebieten bei.

Es ist darauf hinzuweisen, dass lt. VUL-Angaben lediglich ein Frischwasserbedarf von 80.000 Liter je produzierter Tonne Lithium erforderlich sei.
Die o. g. KIT-Analyse aber gibt das 312-fache Volumen an benötigtem Frischwasser an. Es besteht der Eindruck, dass hier die Vulcan-Angaben „geschönt“ erscheinen. Vulcan rechnet mit einer Gewinnung von 40.000 Tonnen Lithium im Jahr und will damit den gesamten deutschen Markt versorgen, darüber hinaus auch noch Europa.


Doch die Vulcan Angaben über Ertrag, Wasserverbrauch, Fliesraten, Technologie und letztendlich die Menge der Wärme, mit der die entscheidenden Kommunen geködert werden sollen, stehen realistischen Zahlen von Wissenschaftlern und Experten gegenüber. Fabian Nitschke vom AGW hält auf Basis einer optimistischen Abschätzung eine jährliche Produktion von ungefähr 2.600 bis 4.700 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent für möglich, wenn alle relevanten Geothermiestandorte mit entsprechenden Anlagen ausgerüstet werden. Er schätzt, dass es möglich sei, mit dieser Menge zwischen 2% und 13% des Jahresbedarfs für die geplante Batteriefertigung in Deutschland zu decken.


Berichte über die angebliche Deckung des gesamten Lithiumbedarfs sollte eher in die Rubrik: „Sagen & Märchen“ abgelegt werden


Unterschätzte Erdbebengefahr

Tiefengeothermie Projekte lösen unbestritten induzierte Erdbeben aus. Die Frage besteht lediglich in der Größe der Magnitude. Experten bekräftigen, dass auch größere Erdbeben ausgelöst werden können. Vulcan Energy und auch die Deutsche Erdwärme bspw. meinen, diese bereits aktivierten Beben mittels eines Ampelsystems im Griff halten zu können, nur ist das bisher im seismisch aktiven Oberrheingraben scheinbar wohl nie ganz richtig gelungen, was nicht nur das stillgelegte Projekt Vendenheim mit den 108 seismischen Ereignissen und den über 3.800 Schadensmeldungen belegt. In Insheim zeugen davon bisher 168 seismische Ereignisse und 64 rund um das Projekt Landau.

Schon allein von daher verbietet sich diese Technologie im Oberrheingraben. Professor Ritter vom KIT hält das Ampelsystem, mit dem man diese Erdbeben kontrollieren will, für nicht sicher.

Wer ersetzt die Schäden?


Zitat aus einem Artikel des Deutschlandfunks vom November 2022:
„Gibt es denn Beispiele, wo diese Ampeln funktioniert haben?“ „Im Moment wüsste ich jetzt ehrlich gesagt keines.“ Joachim Ritter ist Geophysiker am Karlsruher Institut für Technologie. Die Planungen der Tiefengeothermie Projekte sehen vor, direkt durch oftmals überörtliche Störungszonen hindurch zu bohren. Diese Störungszonen setzen sich bis in das gefährliche Grundgebirge fort. Die Gefahr, im späteren Betrieb Erdbeben auszulösen, ist damit grundsätzlich gegeben. Ergänzend plant man hohe Fließraten, die dies begünstigen. Das KIT will bei seinem Projekt nur auf 1300 m Tiefe bohren und plant bewusst (um die Erdbebengefahr zu minimieren) geringe Fließraten von 20 – 30 Liter pro Sekunde ein.

Gibt es denn Beispiele, wo diese Ampeln funktioniert haben?“ „Im Moment wüsste ich jetzt ehrlich gesagt keines.

Joachim Ritter (Geophysiker am KIT Karlsruhe) im Deutschlandfunk

Lediglich das bislang immer als Forschungs- und Entwicklungsprojekt geltende Geothermiewerk Bruchsal hat bisher keine dokumentierten Beben ausgelöst. Man fragt sich eher, wie es das denn auch könnte: Zur Leistung des „Kraftwerkes“ kann man sagen, dass hier lediglich Strom im 0,5 MW-Bereich (Quelle: Bundesverband Geothermie) erzeugt wird, wenn mit der geförderten Energie nicht gerade einmal ca. 60 % des Wärmebedarfs einer landeseigenen Polizeiausbildungsstätte gedeckt werden. Ob eine wirtschaftliche Eigenständigkeit ohne die Leistungszahlungen des Landes gegeben wäre, darf durchaus angezweifelt werden.


Eine finanzpolitische Geisterfahrt?

Tiefengeothermie Projekte werden durch die Landkreise unterstützt, die nach ihrer Ansicht der Wärmelieferung dienen sollen. Bei den Planungen lässt man jedoch bisher die hohen Kosten für die dafür notwendigen Wärmenetze außer Acht bzw. verschweigt sie gänzlich. Ein Trassenmeter Wärmeleitung kostet, wie jüngste Beispiele aus Bayern aufzeigen ganze 2.000 – 5.000 Euro:

„Die Kosten dafür sind freilich horrend: Verbundleitungen mit einem halben Meter Durchmesser kosten circa fünf Millionen Euro pro Kilometer, das
Verteilernetz schlägt mit bis zu zwei Millionen Euro pro Kilometer zu Buche.“


Dazu kommen noch die Kosten für die umfangreichen Verteilernetze innerorts. OB Thomas Deuschle rechnet allein für Waghäusel mit Kosten von 89 Mio. Euro. Insgesamt könnten für Trassen und kommunale Verteilernetze in dieser doch relativ überschaubaren Region leicht Kosten von bis zu einer Milliarde Euro zusammen kommen, wobei man die Kosten für die zusätzlich erforderliche Redundanz zur Sicherstellung der dauerhaften Wärmeversorgung scheinbar noch gar nicht in Augenschein genommen hat? Finanzpolitisch sind die Planungen als äußerst kritisch zu bewerten. Wie viele sinnvolle und erfolgreiche Projekte Erneuerbarer Energien könnte man damit wohl anstoßen und realisieren?

Probleme ergeben sich auch für den Bürger als Endverbraucher. Wer einmal angeschlossen ist, kann den Wärmelieferanten nicht mehr wechseln, ist kommenden Preiserhöhungen hoffnungslos ausgeliefert. In Karlsruhe z. B. wurde der Preis für die kWh Wärme in Frühjahr 2022 um gut 40 % erhöht. Fernwärme bedeutet für den Verbraucher langjährige Abhängigkeit von einem Monopolisten. Plant man hier mehr für die Energieversorger bzw. Lithiumförderer – finanziell gesehen gegen die Bürger und Verbraucher?


Hohe Wärmeverluste der Trassen & Hohe CO2-Vermeidungskosten

Nach Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff, er lehrt an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fakultät Versorgungstechnik, könnte man mit dem Wärmeverlust von nur 40 m Trasse ein modernes Einfamilienhaus mit Wärme versorgen. Er sieht den Ausbau der Wärmenetze aufgrund der hohen Kosten und hohen Wärmeverluste kritisch.


„Betrachtet man aber die Zusammenhänge genauer, ist der weitere Ausbau von Nah- und Fernwärme eine absehbare Fehlentwicklung … Hieraus leiten sich Verteilungsnutzungsgrade von Netzen zwischen 5 und 50 % (!) ab … Die Ausbaupläne von Nah- und Fernwärme sind deshalb für die meisten Anwendungsgebiete schon heute infrage zu stellen.“

Enormer Wärmeverlust und enorme Investitionen

Auch unter Umweltgesichtspunkten ist Geothermie problematisch, sie hat von den Erneuerbaren Energien die bei weitem höchsten CO₂-Vermeidungskosten:
„Die eindeutig höchsten Kosten wurden für das Geothermie System (355 €/t CO2e) festgestellt, hierfür sind hauptsächlich die hohen Investitionskosten verantwortlich.“ Die hohen Finanzierungskosten für Geothermie und Wärmenetze sind also nicht nur ökonomisch,
sondern auch ökologisch schädlich: Entsprechende Fördermittel fehlen für andere, sinnvollere Projekte Erneuerbarer Energien.


Planen mit Vulcan – eine Fehlplanung?

Die Vulcan Energy hat ihre Projekte zur Lithium-, Wärme- und Stromgewinnung ausgelegt, nur dafür benötigt man Bohrtiefen bis auf 4000 m. Nur dafür sind die riesigen Luftkühler-Anlagen notwendig, die unsere Umwelt mit Lärm und Wärme belasten, nur dafür werden pro Werk etwa 100 Tonnen eines gefährlichen und teils explosiv wirkenden Arbeitsmittels (in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten) benötigt.


Schon bei der Gründung der Vulcan Energy ging es ihr vor allem darum, die EEG-Umlage des deutschen Staates einzustreichen. Eine Wärmelieferung in Neustadt soll der Köder sein. Belastend kommt aber die angestrebte Lithiumextraktion hinzu, die schon allein 50 % der geothermisch erzeugten Energie selbst verschlingen würde.


Zur Aussage des Herrn Horst Kreuter (Vulcan Energy Resources) zum umfangreichen Energiebedarf der Lithiumextraktion: „Wir brauchen für die Lithiumextraktion 50 Prozent der Energie, die wir hier vor Ort durch Geothermie gewinnen.“


Landkreis und Energieagentur wollen die TG-Projekte im Nachhinein durch eine eventuelle Wärmelieferung legitimieren? Allerdings wären zu einer reinen Wärmegewinnung nur geringe Bohrtiefen von 1000 – 1500 m und nur geringe Fließraten von 20 bis 30 Liter pro Sekunde notwendig, wie bspw. das immer wieder beworbene „halbtiefe“ TG-Projekt im schweizerischen Riehen (Bohrtiefe: 1.547 bzw. 1.247 Meter), entsprechend geringer wäre die Erdbebengefahr. (Das Projekt Riehen fördert infolge eines Defektes am Steigrohr seit dem März 2021 keine Erdwärme mehr. Ob eine Reparatur im November 2022 erfolgreich war, kann durchaus angezweifelt werden.)


Das passt alles wohl eher weniger zusammen. Was ist, wenn die Anlagen weiter Erdbeben auslösen wie kürzlich in Insheim? Dort hat das Werk alleine seit der Inbetriebnahme in 2009 bereits 175 Ereignisse ausgelöst. Kommt ein stärkeres, großflächiges Beben, müssen alle Werke abgestellt werden. Woher kommt dann die notwendige Wärme?

Es ist unverantwortlich, unsere Wärmeversorgung auf einer so riskanten und äußerst teuren Technologie aufzubauen.


Beschluß des Regionalverbands mittlerer Oberrhein

Der Regionalverband mittlerer Oberrhein verlangt in seinem Positionspapier zur Tiefengeothermie, das Land müsse für eventuelle Schäden bürgen. Zusätzlich fordert man ein allgemein-gültiges Verfahren zur Schadensabwicklung. Die Forderung nach einer Landesbürgschaft für Schäden wurde vom Land bereits im Vorfeld abgewiesen. Erdbeben-Geschädigte können weiterhin Erstattungen von oftmals um die 10 % des eigentlichen Schadenwertes erwarten, wie man jetzt wieder bei den fast 4.000 Schäden durch Vendenheim realitätsnah betrachten kann.

Man nennt die Tiefengeothermie grundlastfähig, der BUND sah dies bereits im Jahre 2018 anders: „Die in wissenschaftlichen Studien vorausgesetzte und in Projektdarstellungen zugesagte Grundlastabdeckung findet derzeit durch Tiefengeothermie-Strom noch nicht statt.“


Unrealistischer Zeitplan

Vulcan will im dritten Quartal 2023 mit den Bohrungen beginnen. Der Nachweis der Fündigkeit soll im vierten Quartal 2023 erfolgen und somit der der Bau der Anlagen und Pipelines beginnen. Die Wärmelieferung soll ab dem vierten Quartal 2024 starten und im zweiten Quartal 2025 soll es bereits 6 Bohrungen geben.


Die Vorlaufzeit für Tiefengeothermie Projekte liegt bei 7 – 9 Jahren, wie soll es da im vierten Quartal bereits eine Wärmelieferung nach Neustadt geben? Die Wärme-Planungen vom Landkreis führen zu extremen finanziellen Belastungen von Land und Kommunen, dabei jedoch zu einer mehr als unsicheren künftigen Wärmeversorgung. Unsere Umwelt wird zerstört, Infrastruktur und Immobilien werden durch Erdbeben bedroht.

Autorin: Ariane Stachowsky

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