Das Bergrecht bietet Möglichkeiten für kommunale Geothermieprojekte

von Dietmar von Blittersdorff (Mitglied des BIGG-Vorstandes)



Ausgangssituation

Im Zusammenhang mit Tiefen Geothermie spielt das Bundesberggesetz (BbergG) eine zentrale Rolle. Bei allen Veranstaltungen in Neustadt haben die Entscheidungsträger der Stadt und der Stadtwerke behauptet „Uns sind die Hände gebunden“, wir können selbst als Kommune nichts machen. Die Bergbaubehörde in Mainz ist zuständig für die Genehmigungsprozesse.

Folgerichtig hat der Stadtrat von Neustadt die Verwaltung beauftragt, sich für die Änderung des Bundesberggesetzes einzusetzen, damit die Kommune selbst aktiv werden kann. Ob diese Initiative Erfolge hat, wann und vor allem wie das BBergG geändert werden soll, steht in den Sternen. Bisher hat sich das Bundesberggesetz eher als reformresistent erwiesen.

Deshalb hat sich die Bürgerinitiative Gegen Tiefe Geothermie in Geinsheim (BIGG) die Frage gestellt: Muss die Stadt warten, bis das BBergG geändert ist oder bietet das Bergrecht schon heute Möglichkeiten, für Neustadt aktiv zu werden? Ich habe mich darauf hin intensiv – als Nichtjurist – mit dem BBergG beschäftigt.[1]

Das Ergebnis möchte ich vorwegnehmen:  Das BBergG bietet Spielräume und die Stadt hat Möglichkeiten. Und die sollen hier skizziert werden.


Das Bergamt in Freiburg nutzt seinen Spielraum

Im Juli dieses Jahres hat eine Entscheidung des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) im Regierungspräsidium Freiburg (RP) für einen „Paukenschlag“ – so die Badische Neueste Nachrichten – gesorgt. Ausgangspunkt war ein Antrag der Deutschen Erdwärme (DEW) für eine Verlängerung der Erlaubnis im Feld Karlsruhe-Süd. Und hier das Ergebnis des Landesamtes

In der PM des Landesamtes vom 18.07.2023 heißt es dazu lapidar:

„Die DEW hatte die Aufsuchungserlaubnis für das gesamte Feld beantragt. Der Firmenverbund der EnBW und der Stadtwerke Karlsruhe hatte einen Antrag nur für das kleine Gebiet am Rheinhafen gestellt. Daher hat das LGRB jetzt entschieden, das Feld aufzuteilen.“

Aus eins macht zwei – wie ist das möglich?

Quelle: LGRB


Um diese Frage zu beantworten, muss man näher ins Gesetz schauen:

  1. Gemäß §16 Abs.3 ist die Behörde befugt, bei der Entscheidung von dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nachträglich abzuweichen. „Nachträglich bedeutet, dass die Bergbehörde, auch nachdem die Erlaubnis oder Bewilligung bestandskräftig geworden ist, nachsteuern und diese abändern und den Begünstigten teilweise wieder entziehen kann.“ (M. Zimmer, a.a.O., S.301)
  2. Eine nachträgliche Auflage darf jedoch nur erlassen werden, wenn sich nach Erlass der Erlaubnis oder Bewilligung neue Tatsachen ergeben haben. Im Übrigen ist eine Verlängerung einer Erlaubnis in der Sache nichts anderes als eine erneute Erteilung einer Erlaubnis.
  3. Die Verlängerung nach § 16 Abs. 4 Satz 2 ist insbesondere nur dann möglich, wenn sich die Rechtslage nicht derart geändert hat,“ dass nunmehr überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung im gesamten Feld ausschließen (…)“
    (M. Zimmer, a.a.O., S. 300)
  4. Über diese Möglichkeit der behördlichen Reaktion auf Versagungsgründe des § 11 hinaus, beschreibt §16 Abs. 2 zwei weitere Fälle „in denen Erlaubnisfelder abweichend vom Antrag festgesetzt und größenmäßig begrenzt werden können, nämlich
    • (…)
    • um eine Gefährdung der Wettbewerbslage (…) abzuwehren.“
      (M. Zimmer, a.a.O., S. 299)

Hierzu etwas ausführlicher der Kommentar von Dr. Michael Zimmer:

„Die Reduzierung des Erlaubnisfeldes muss erforderlich sein, um eine Gefährdung der Wettbewerbslage abzuwehren. Da die Erteilung einer Erlaubnis an einen Wettbewerber stets Auswirkungen auf die Wettbewerbslage hat, kann eine Gefährdung nur angenommen werden, wenn erhebliche Störungen des Wettbewerbs aufgetreten sind oder konkret befürchtet werden müssen. Dafür sprechen auch die Materialien zum Gesetz, wonach der Gesetzgeber das Ziel verfolgte, der Gefahr von „Monopolstellungen bei der Aufsuchung“ und einer „Beeinträchtigung der Wettbewerbslage“ entgegenzuwirken. Zu den maßgeblichen Umständen, die die Behörde ermitteln muss, zählt daher insbesondere die Zahl der Wettbewerber und die Größe der Felder, für die diesen bereits Erlaubnisse erteilt worden sind, und ob Mitbewerber auch an einer Erlaubnis für das fragliche Feld interessiert wären. (M. Zimmer, a.a.O., S. 299)

Das heißt die Behörde muss prüfen, „ob weitere ernsthafte Interessenten für die Erlaubnis bereitstehen, denen die Möglichkeit einer ergebnisoffenen Bewerberkonkurrenz in einem neuen Erteilungsverfahren eröffnet werden soll.“ (M. Zimmer, a.a.O., S. 306)

Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, „dass ein Antragsteller im Einzelfall eine Erlaubnis allein oder zumindest auch zu dem Zweck beantragt, Aufsuchungen durch Andere zu verhindern.“ (M. Zimmer, a.a.O., S. 299)


Wie ist die Situation heute – hat sich die Rechtslage geändert?

Ich behaupte Ja, sie hat sich geändert, und zwar gravierend.  Mit dem neuen Gesetz für die „Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetzte“ werden wir eine neue Gesetzeslage bekommen, und zwar noch in diesem Jahr. Die Kommunen sind nämlich verpflichtet, ihre Wärmenetze bis spätestens 2045 klimaneutral zu stellen.

Als Beleg für meine Einschätzung, dass die Rechtslage sich gravierend geändert hat,
zitiere aus der Stellungnahme des Bundesrates vom 29.09.23 zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf:

Der Bundesrat hätte gerne In Artikel 1, § 2 folgender Absatz 3 angefügt:

„Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien, die in ein Wärmenetz gespeist werden, (…) liegen im überragenden öffentlichen Interesse. Die Errichtung von Wärmenetzen und Anlagen zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien muss folglich im Rahmen von behördlichen oder sonstigen Abwägungsentscheidungen priorisiert werden.“
(Bundesrat, Drucksache 388/23 vom 29.09.2023)

Ich vermute, dass bei den ersten Erlaubnissen von Vulkan kein Konkurrenzantrag vorlag, aber muss das auch bei der Verlängerung der Erlaubnis so bleiben?

Wenn ein weiterer Bewerber da ist, muss die Behörde die Bewerbungssituation prüfen und die Erfolgsaussichten des eingereichten Arbeitsprogramms, aber auch den Faktor öffentliches Interesse beurteilen.


Was heißt das für Neustadt?

Vorausgesetzt, die kommunale Wärmeplanung der Stadt kann den Bedarf an Erdwärme für ein Wärmenetz hinreichend belegen, dann hat Neustadt meiner Meinung nach zwei Optionen.

1. Option: Sie muss als ernsthafter Konkurrent auftreten, und zwar so wie es die Stadtwerke KA und die ENBW im Beispiel aus Baden-Württemberg getan haben. Sie muss einen Antrag auf eine eigene Erlaubnis für Erdwärme stellen und ein solides Arbeitsprogramm beim Landesamt für Bergbau einreichen. Und bei diesem Antrag kann sich Neustadt auf das überragende öffentliche Interesse berufen.

Denn es kann doch nicht sein, dass das Landesamt einer Kommune das Recht an einer klimaneutralen Wärmegewinnung verweigert, weil ein Privatunternehmen nach Lithium bohren will.

Ein guter Zeitpunkt für einen Konkurrenzantrag ist die Verlängerung der Erlaubnisfelder TARO und KERNER (KERNER; Dezember 2024 / TARO: August 2025)

2. Option: Neustadt versucht mit dem Landesamt und Vulkan ins Gespräch zu kommen, mit dem Ziel, dass Vulkan sein Einverständnis erklärt, dass Neustadt für die die Felder KERNER und TARO eine Unterlizenz für Erdwärme bekommt-

Das heißt, Neustadt muss in jedem Fall hinsichtlich der Erdwärme selbst aktiv werden. Wie gesagt, wenn denn die Erdwärme für eine klimaneutrale Wärmeversorgung gebraucht wird.

Ob es allerdings sinnvoll ist, eine neue Infrastruktur für heiße Wärmenetze in Neustadt aufzubauen, muss hinterfragt werden. Ich möchte hier nur das Stichwort Kalte Nahwärmenetze nennen, die auch oft als „Wärmenetze der 5. Generation“ bezeichnet werden und die nicht nur in Neubaugebieten umgesetzt werden, sondern zunehmend auch im Bestand.


Ich fasse zusammen:

  • Wir haben eine neue Gesetzeslage – überragendes öffentliches Interesse!
  • Eine nachtägliche Veränderung von Erlaubnissen bzw. Bewilligungen ist nach dem BBergG möglich und sogar dringend geboten, da das öffentliche Interesse überwiegt.
  • Neustadt muss die angeblich gebundenen Hände „entfesseln“ und das überragende öffentliche Interesse gegenüber dem Bergamt geltend machen, entweder in Verhandlungen oder durch Konkurrenzanträge.
  • Wegducken oder sich hinter dem Bergamt bzw. dem BbergG zu verstecken – das geht nicht mehr.

Die Wärmeversorgung in Neustadt gehört in kommunale Hand und nicht in die Hand und damit in die Abhängigkeit von einem Privatunternehmen. Das ist die Position unserer Bürgerinitiative und ich hoffe, unsere gewählten Volksvertreter sehen das genauso.


[1] In meinen Ausführungen beziehe ich mich auf den Kommentar zum Bundesbergesetz, (Berliner Kommentare) hrsg. von Prof. Dr. jur. Walter Frenz, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2019. Dabei zitiere die jeweiligen Kommentatoren, so zum Beispiel die Kommentierung von Dr. jur. Michael Zimmer wie folgt: M. Zimmer, a.a.O., S. xxx

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Eine Antwort

  1. Dr.W.Langsdorf sagt:

    Lieber Dietmar,
    chapeau für Dein als „Nicht-Jurist“ aufgezeigten Weg für Neustadt, dem „Wärmedilema“ zu entkommen.
    Selbst sehe ich für NW hervorragende Chancen bezüglich Geologie und Infrastruktur (sprich Kunden in der Nähe).
    Freue mich, bald mal wieder in die Erde schauen zu dürfen !
    Glückauf !
    Werner

    N.B. als night-byter gerade eben wieder nach knapp zwei Wochen Internet-blackout geschrieben….

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