Interview mit der Vorsitzenden des Bundesverbands Bürgerinitiativen Tiefe Geothermie

Ariane Stachowsky, 55, Gefahrgutbeauftragte bei einem großen Landmaschinenhersteller und 1.Vorsitzende des Bundesverband Bürgerinitiativen Tiefe Geothermie e.V. Der Verband setzt sich dafür ein, dass die Gefahren und Risiken der Tiefengeothermie kritisch hinterfragt werden, um vorschnelle Fehlentscheidungen zu verhindern. Er unterstützt die Arbeit von Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften durch Vorträge, Informationsaustausch und die Vernetzung mit einschlägigen Experten

Ariane, wie kamst du mit der Tiefengeothermie in Berührung?
Ich wohne in der Hahnenruh. Unmittelbar in der Nähe plante Vulcan Energy ab 2023 den Bau einer großen Tiefengeothermieanlage. Daraufhin begann ich, mich intensiv mit dem Thema auseinander zu setzen und erkannte die erheblichen Gefahren und Beeinträchtigungen, die diese Technologie mit sich bringt. Zusammen mit vielen Gleichgesinnten gründeten wir die Bürgerinitiative gegen tiefen Geothermie in Geinsheim (BIGG), in deren Vorstand ich gewählt wurde.

Gleich mehrere Aktionen setzten unsere Bürgerinitiative um: Bohrplatzbesichtigungen, Großplakate, eine eigenständige Webseite, eine Online-Petition, Gespräche mit der Stadt, Vernetzung mit dem Haßlocher Gemeinderat, Interviews in überregionalen Medien, ein Bürgerforum sowie eine rote-Bänder-Aktion im Dorf. Nicht ohne Erfolg: Bis heute wurde in Geinsheim keine Tiefengeothermieanlage realisiert

Wie wurdest du Mitglied im Bundesverband?
Um besser vernetzt zu sein, wurde ich auch Mitglied in der Bürgerinitiative in Landau, die sich stark im Bundesverband gegen tiefe Geothermie engagiert. Ich wurde dann relativ schnell 2. Vorsitzende des Bundesverbands und habe an verschiedenen Projekten mitgearbeitet.

Erzähle uns mehr zum Bundesverband
Gegründet wurde der Verband nachdem die Tiefengeothermieanlage in Landau zu Ende der Nulljahre die ersten Gebäudeschäden verursachte. Bis dahin fehlte ein überregionales Dachorgan für die verschiedenen Tiefengeothermie-Bürgerinitiativen. Diese Lücke haben wir geschlossen. Seit Beginn der Gründung gibt es eine enge Zusammenarbeit mit den Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften im Oberrheingraben. Wir unterstützten durch Vorträge, Informationsaustausch und die Vernetzung mit einschlägigen Experten.

Wie wurdest du erste Vorsitzende?
Der bisherige Vorsitzende, Werner Müller, hat durch sein außerordentliches Engagement viel erreicht. Er gründete den Bundesverband und die Bürgerinitiative Geothermie Landau Südpfalz, unterstützte neue Bürgerinititativen und half immer wo er konnte mit seinem tiefen Wissen. Er besuchte unzählige Veranstaltungen und hielt dort Vorträge zu den Risiken der Tiefengeothermie. Altersbedingt entschied er, den Vorsitz abzugeben, und überzeugte mich davon, die Aufgabe zu übernehmen.

Was sind denn die Ziele des Bundesverbands?
Wir vertreten deutschlandweit Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften, die die Risiken der Tiefengeothermie kritisch hinterfragen oder selbst betroffen sind. Wir fordern politische Entscheidungsprozesse, die betroffene Bürger und ihre Erfahrungen einbeziehen. Ziel ist die Aufklärung über Gefahren wie Erdbeben, Umweltschäden und Landschaftseingriffe, um Fehlentscheidungen zu verhindern und Mensch, Umwelt sowie unser Grundwasser zu schützen. Wir streben einen Gegenpol zur einseitigen Lobbyarbeit der Geothermieunternehmen an.

Welche konkreten Projekte habt ihr in letzter Zeit verfolgt?
Vulcan Energy hat bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) einen Kredit in Höhe von 500 Mio. € beantragt. Wir haben die Gelegenheit genutzt, mehrere Stellungnahmen einzureichen und wurden zu einer Videokonferenz mit den wesentlichen Entscheidungsträgern der Bank eingeladen. Dort konnten wir zahlreiche kritische Aspekte ansprechen, die der Bank zuvor nicht bekannt waren. Vielleicht hat dies dazu beigetragen, dass die EIB den Kredit zwar genehmigt hat, ihn jedoch nur in Tranchen freigibt, sofern bestimmte Meilensteine erreicht werden.

Ein weiteres Thema war das Beschleunigungsgesetz, durch das unter anderem die Einspruchsmöglichkeiten und die Umweltverträglichkeitsprüfung von Geothermieprojekten erheblich eingeschränkt werden sollen. Auch hierzu haben wir Stellungnahmen abgegeben.

Merkwürdigerweise kamen die Emails mit unserer Stellungnahme beim Ministerium nicht an. Erst nach mehrfacher Reklamation wurde die Stellungnahme veröffentlicht. Grund waren angeblich technische Probleme. Anscheinend passten unsere Argumente nicht in die politische Agenda der Verantwortlichen.

Was sind weitere Schwerpunkte eurer Arbeit?

Wir möchten den grenzüberschreitenden Austausch mit französischen Bürgerinitiativen intensivieren. In Deutschland besteht eine gute Transparenz zu Erdbeben, Zwischenfällen und Planungen. In Frankreich ist diese Transparenz bislang deutlich geringer. Mit vielen Mitstreitern auf der anderen Rheinseite sind wir bereits im engen Kontakt.

Aktuell unterstützen wir eine Bürgerinitiative in Waldsee. Wir haben bei der Gründung wichtige Tips gegeben, fachlich informiert, organisatorische Hilfestellung geleistet und Aktionen mit geplant. Die Bürgerinitiative in Waldsee hat in kürzester Zeit ihre BIgT gegründet, Unterschriftenaktionen durchgeführt, Plakate aufgestellt, eine Petition gestartet, eine Webseite erstellt und viele Aktionen durchgeführt. Sie erzielte damit bereits einen Teilerfolg. Das Betreiberunternehmen kündigte an, einen alternativen Bohrplatz zu suchen.

Außerdem haben wir die Gemeinde Meckenheim bei der Ablehnung der 3D-Seismik unterstützt und beraten bundesweit Bürgerinitiativen aber auch Gemeidevertreter und von Schäden betroffene Bürger bei Fachfragen, geben Tipps zur Organisation, halten Vorträge bei Veranstaltungen und packen ggf. auch aktiv mit an.

Wir bekommen immer mehr Anfragen aus den unterschiedlichsten Ecken in Deutschland. Die Arbeit ist zeitintensiv, aber in der Sache unterstützen zu können erfüllt mich mit Freude. Die positiven Rückmeldungen bestätigen uns in dem, was wir tun.


Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch!

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