Das Lithium Extraktionsverfahren von Vulcan Energy


Vulcan Energy will in dem geplanten Geothermiekraftwerk in der Nähe von Geinsheim Lithium aus dem Tiefenwasser gewinnen. Hierfür ist geplant ein Verfahren zu verwenden welches zwar schon seit Jahrenzehnten genutzt wird, allerdings wurde die Umsetzbarkeit in einer industriellen Großanlage zur Lithiumgewinnung noch nicht nachgewiesen. 

Informationen zum Verfahren von Vulcan Energy unterscheiden sich in einigen Punkten sehr deutlich von den Erkenntnissen unabhängiger Wissenschaftler. So unterscheidet sich Angaben zur benötigten Zeit um 90% des Lithiums zu extrahieren zwischen 15 Minuten und 10 Stunden. Jedoch viel wichtiger sind die Abschätzungen der benötigten Frischwassermengen, will Vulcan Energy mit einem 25m Schwimmbecken voll Frischwasser auskommen, gehen unabhängige Wissenschaftler von mehreren hunderttausend Tonnen Frischwasser aus. 

Mangels detaillierter und nachprüfbarer Informationen seitens Vulcan Energy müssen die Angaben des Unternehmens zum jetzigen Zeitpunkt doch sehr in Frage gestellt werden.



Einleitung

Die voranschreitende Energiewende und die damit einhergehende Elektrifizierung im Individualverkehr hat einen signifikanten Einfluss auf die Nachfrage nach strategischen mineralischen Rohstoffen. Einer der zentralen Rohstoffe von Interesse ist Lithium, dessen Anwendungsgebiet sich inzwischen hauptsächlich in der Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus befindet, welche aufgrund ihrer hohen Energiedichte sowohl für portable Geräte als auch für Elektroautos von hohem Interesse sind. Damit Elektroautos mit der Reichweite von Verbrennungsmotoren konkurrieren können, sind Speicherkapazitäten in der Größenordnung von 60-100 kWh notwendig. Dies entspricht ca. 12 kg reines Lithium pro Batterie (Goldberg, Nitschke, et al., 2022). Aufgrund dieser erhöhten Nachfrage ist der Lithium Preis stetig steigend und Prognosen einer weiter steigenden Nachfrage lassen die Schlussfolgerung einer positiven Preisentwicklung für Lithium zu (Goldberg, Nitschke, et al., 2022).

Vor dem Hintergrund dieses stark wachsenden Markts für Lithium werden weltweit potentielle Lithiumquellen evaluiert. Hierbei wird die Erschließung von Lithiumvorkommen aus geothermalen Wässern als realistische Alternativen zu der konventionellen Gewinnung aus Bergbau und der Extraktion aus den Wässern von Salzseen, angesehen (Stringfellow & Dobson, 2021). Die hierfür theoretisch notwendigen hohen Lithiumkonzentrationen im Tiefenwasser konnten im Oberrheingraben und Norddeutschen Becken nachgewiesen werden (Goldberg, Nitschke, et al., 2022).

Die Firma Vulcan Energy (Vulcan Energy Ressources GmbH) hat angekündigt, in der Nähe von Geinsheim ein Geothermiekraftwerk mit integrierter Lithiumgewinnung betreiben zu wollen. Dies soll laut Vulcan Energy per „direct lithium extraction“ (DLE, Direkte Lithium Entnahme) geschehen. Im Folgenden wird versucht, dieses DLE Verfahren zu erläutern und eine Bewertung vorzunehmen. Dies geschieht auf der Basis wissenschaftlicher Veröffentlichungen und der Informationen welche Vulcan Energy verbreitet.


Lithium Extraktion

In dem Geothermie Kraftwerk soll das geothermale Tiefenwasser über mehrere Bohrungen zu Tage gefördert werden. Da das Tiefenwasser direkt nach der Förderung eine zu hohe Temperatur für das DLE Verfahren hat, muss es abgekühlt werden. Hierzu kann dem Tiefenwasser die Wärme per Stromerzeugung, über Wärmetauscher an ein Fernwärmenetz oder über die Wärmeabgabe großer Kühlanlagen an die Atmosphäre entnommen werden. Hierbei sind die genauen Temperaturen und abzugebenden Wärmemengen noch nicht abschätzbar bzw. wurden von Vulcan Energy noch nicht kommuniziert. Nachdem das Tiefenwasser abgekühlt wurde, kann es im DLE Verfahren weiterverarbeitet und anschließend wieder in das Erdreich zurückgeführt werden.

Im ersten Schritt des DLE Verfahrens wird das Tiefenwasser vorbehandelt und durch einen Aluminium-Hydroxid Sorbenten geleitet (Harrison & Wedin, 2021; Vulcan Energy Ressources, 2022), an welchem sich die Lithium-Ionen aus dem Tiefenwasser anreichern. Die Sorption erfolgt selektiv für Lithium-Ionen, da diese aufgrund ihrer Größe in der Kristallstruktur des Aluminium-Hydroxids angelagert werden können (Jiang et al., 2020; Stringfellow & Dobson, 2021; Vulcan Energy Ressources, 2022; Wu et al., 2019). Zwischen den einzelnen Schichten der Aluminium-Hydroxid-Struktur wird zudem Chlorid eingeschlossen, welches eine Produktion von Lithiumchlorid bei der Rücklösung ermöglicht (Goldberg, Nitschke, et al., 2022). Nachdem der Sorbent erfolgreich mit Lithium und Chlorid beladen wurde, wird er mit Frischwasser gespült und Lithiumchlorid löst sich im Wasser. Um die Lithiumchlorid- Konzentration im Wasser zu erhöhen, wird dieses im nächsten Schritt aufkonzentriert. Hierzu wird zunächst per Umkehrosmose ein Lithiumgehalt von 12% erreicht und beim folgenden Eindampfen auf die Löslichkeitsgrenze von 40% Lithiumchlorid erhöht (Vulcan Energy Ressources, 2022). Die Energie für das Eindampfen soll hierbei aus dem Geothermiekraftwerk verwendet werden (Vulcan Energy Ressources, 2022).

Die hochkonzentrierte Lithiumchlorid-Lösung wird anschließend per LKW zu einer Aufbereitungsanlage, welche sich in Frankfurt Höchst befindet, befördert, in welcher das Lithiumchlorid per Elektrolyse zu Lithiumhydroxid für den Verkauf veredelt werden soll (Harrison & Wedin, 2021; Vulcan Energy Ressources, 2022).


Bewertung

Das sich Vulcan Energy für die Extraktion per anorganischer Sorption mittels Aluminium-Hydroxid entschieden hat, ist naheliegend da die Entwicklung dieser Technologie von allen Optionen am weitesten fortgeschritten war (Vulcan Energy Ressources, 2022). Goldberg et al. haben die Sorption mittels Aluminium-Hydroxid mit einem Technologie-Reifegrad (TRL) von 6 am höchsten von den betrachteten Technologien eingestuft (2022). Jedoch gilt festzuhalten, dass diese Bewertung lediglich die Testung eines Prototypen in einer relevanten Umgebung bescheinigt und noch weit von einem erfolgreichen Betrieb in der angestrebten Zielumgebung entfernt ist (Goldberg, Kluge, et al., 2022). Vulcan Energy betreibt im Geothermiekraftwerk Insheim einen Prototyp, um die Umsetzbarkeit dieser Technology nachzuweisen, ist bis jetzt allerdings belastbare Nachweise der Machbarkeit in einem Geothermiekraftwerk auf voller Skala schuldig geblieben.

Ein Nachteil von Aluminium-Hydroxid als Sorbent ist die niedrige Beladungskapazität von ca. 1‑8 mg/g (Goldberg, Nitschke, et al., 2022; Harrison & Wedin, 2021; Jiang et al., 2020). Um möglichst viel von dem Lithium im Thermalwasser zu extrahieren, werden somit sehr große Mengen Aluminium-Hydroxid benötigt. Des Weiteren muss das Thermalwasser abgekühlt werden, um durch den Aluminium-Hydroxid Sorbenten geleitet werden zu können. Dieser Eingriff in die Eigenschaften des Tiefenwassers kann einen enormen Einfluss auf die Zusammensetzung des Tiefenwassers haben. Als Folge dieser Temperaturabsenkung besteht im Kraftwerk eine erhöhte Gefahr von ungewollten Ablagerungen, welche im Betrieb eines normalen Geothermiekraftwerks bereits zu erheblichen Problemen im Kraftwerksbetrieb führen können (Goldberg, Kluge, et al., 2022).

Ein Vorteil von Aluminium-Hydroxid als Sorbent ist die Tatsache, dass das Lithiumchlorid mit Wasser aus dem Sorbenten gelöst werden kann. Dies hat zur Folge, dass die Struktur des Aluminium-Hydroxids im Vergleich zu anderen Sorbenten während des Spülvorgangs nicht beschädigt wird (Harrison & Wedin, 2021). Allerdings gibt es zur Menge des benötigten Wassers widersprüchliche Angaben. In der wissenschaftlichen Literatur wird von sehr großen Mengen an Frischwasser berichtet: es wird ein Verhältnis von 1:100 zwischen Sorbenten und Wasser angegeben (Goldberg, Nitschke, et al., 2022). Daraus folgt, dass am Standort Geinsheim sehr hohe Mengen an Frischwasser benötigt werden. Vulcan Energy gibt andererseits an, dass das Frischwasser in einem geschlossenen Kreislauf wieder verwendet werden kann und daher nur die Menge äquivalent eines 25m Schwimmbeckens benötigt wird (Vulcan Energy Ressources, 2022). Während die erste Behauptung noch nachvollziehbar erscheint, das während des Aufkonzentrierens entnommene Wasser könnte direkt wieder zur Spülung verwendet werden, ist die zweite Aussage über das benötigte Gesamtvolumen eher schwer nachzuvollziehen. In einer Beispielrechnung für mit Geinsheim vergleichbare Bedingungen, errechnen unabhängige Forscher einen Frischwasserbedarf von 720t (Goldberg, Nitschke, et al., 2022). Grundlage dieser Rechnung sind eine Förderrate von 80 L/s, 200 mg/L Lithium-Konzentration und eine Verweilzeit von 60 Minuten um eine Extraktionsrate von 50 % zu erreichen (Goldberg, Nitschke, et al., 2022).

Ein weiterer Nachteil von Aluminium-Hydroxid als Sorbent ist die für eine hohe Extraktionseffizienz benötigte Verweildauer des Tiefenwassers im Sorbenten. Bei einer Verweildauer von 60 Minuten konnte eine Beladung von 50% nachgewiesen werden (Goldberg, Nitschke, et al., 2022). Für das Erreichen eines Gleichgewichts zwischen Tiefenwasser und Sorbent wurden 600 Minuten benötigt (Jiang et al., 2020). Allerdings konnte hierbei eine Extraktionseffizienz von bis zu 91% erreicht werden (Wu et al., 2019). Vulcan Energy gibt an, 90% des gelösten Lithiums extrahieren zu wollen (Harrison & Wedin, 2021), gibt allerdings eine Verweildauer von 10-15 Minuten des Tiefenwassers im Geothermiekraftwerk an (Vulcan Energy Ressources, 2022). Die Unterschiede zwischen der wissenschaftlichen Literatur und den Aussagen von Vulcan Energy sind auch hier sehr deutlich. Diese Differenzen können nur durch detaillierte Informationen von Vulcan Energy ausgeräumt werden.


Fazit

Lithium ist ein gefragter Rohstoff und unter aktuellen Marktbedingungen scheint eine kostenintensive Förderung aus geothermalem Tiefenwasser rentabel. Es ist jedoch unsicher, wie sich Fortschritte in der Batterietechnologie auf die Lithiumnachfrage auswirken und ob die aktuell gegebene Rentabilität auch weiter besteht bleibt (Stringfellow & Dobson, 2021). Die hohe Volatilität des Marktes hat in der Vergangenheit bereits häufig dazu geführt, dass Projekte eingestellt werden mussten (Goldberg, Nitschke, et al., 2022).

Generell ist die Extraktion von Lithium aus geothermalem Tiefenwasser mit dem von Vulcan Energy angestrebten DLE Verfahren unter Einsatz von Aluminium-Hydroxid als machbar (TRL 6) einzustufen  (Goldberg, Nitschke, et al., 2022), wobei wichtige Fragen weiterhin ungeklärt sind. Die Umsetzbarkeit in einer industriellen Großanlage ist noch nicht nachgewiesen worden (Stringfellow & Dobson, 2021). Die Angaben zur Verweildauer des Tiefenwassers in der Anlage von Vulcan Energy und der wissenschaftlichen Literatur sind signifikant. Am wichtigsten allerdings ist die Frage nach der benötigten Wassermenge, da sich hier die Aussagen von unabhängigen Wissenschaftlern und Vulcan Energy am stärksten unterscheiden. Hier ist Vulcan Energy in der Bringschuld, um nachzuweisen, dass sie tatsächlich nur die angegebenen geringen Mengen an Frischwasser benötigen.


Quellen

Goldberg, V., Kluge, T., & Nitschke, F. (2022). Herausforderungen und Chancen für die Lithiumgewinnung aus geothermalen Systemen in Deutschland – Teil 1: Literaturvergleich bestehender Extraktionstechnologien. Grundwasser. https://doi.org/10.1007/s00767-022-00522-5

Goldberg, V., Nitschke, F., & Kluge, T. (2022). Herausforderungen und Chancen für die Lithiumgewinnung aus geothermalen Systemen in Deutschland – Teil 2: Potenziale und Produktionsszenarien in Deutschland. Grundwasser, 1–36. https://doi.org/10.1007/s00767-022-00523-4

Harrison, S., & Wedin, F. (2021). Direct Lithium Extraction (DLE) Technical Update. https://v-er.eu/wp-content/uploads/2021/11/Direct-Lithium-Extraction-technical-update-FINAL.pdf

Jiang, H., Yang, Y., Sun, S., & Yu, J. (2020). Adsorption of lithium ions on lithium-aluminum hydroxides: Equilibrium and kinetics. Canadian Journal of Chemical Engineering, 98(2), 544–555. https://doi.org/10.1002/cjce.23640

Stringfellow, W. T., & Dobson, P. F. (2021). Technology for the recovery of lithium from geothermal brines. Energies, 14(20). https://doi.org/10.3390/en14206805

Vulcan Energy Ressources. (2022). Fragen von der Führung im Geothermiekraftwerk Insheim mit dem BUND Neustadt/Wstr. 06.10.22.

Wu, L., Li, L., Evans, S. F., Eskander, T. A., Moyer, B. A., Hu, Z., Antonick, P. J., Harrison, S., Paranthaman, M. P., Riman, R., & Navrotsky, A. (2019). Lithium aluminum-layered double hydroxide chlorides (LDH): Formation enthalpies and energetics for lithium ion capture. Journal of the American Ceramic Society, 102(5), 2398–2404. https://doi.org/10.1111/jace.16150


Autor: Mike Fuchs (M.Sc.in Umweltwissenschaften)

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Eine Antwort

  1. 9. Juni 2023

    […] Aber:Zum einen variieren auch hier die von Vulcan genannten Zahlen sehr stark. Zum anderen spricht die Wissenschaft und Forschungsinstitutionen wie z.B. das KIT von einem weit höheren Frischwasserverbrauch. Wem kann denn wirklich Glauben geschenkt werden? Hier ein interessante Analyse der BIGG dazu […]

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